Sufismus und die Whirling Dervishes in der Türkei

Die Türkei, die Heimat von tief verwurzelten spirituellen Traditionen und mystischen Praktiken, ist ein einzigartiges Mosaik aus Geschichte, Kultur und Spiritualität. Ein außergewöhnlicher Aspekt dieses Mosaiks ist der Sufismus – eine mystische Strömung innerhalb des Islams, die in der islamischen Kultur der Türkei sowohl eine religiöse als auch eine soziokulturelle Bedeutung hat. Der Sufismus ist bekannt für seine Suche nach persönlicher, direkter Erfahrung mit dem Göttlichen und unverkennbar ist in der Türkei die Präsenz der „Whirling Dervishes“, einer speziellen Ordensgemeinschaft des Sufismus. Diese Gruppe ist vor allem für ihren rituellen Tanz bekannt, der den spirituellen Zustand der Ekstase anstrebt und als eine körperliche Form der Meditation dient. Ausgehend von den Lehren des berühmten Sufi-Dichters Mevlana Rumi, sind Whirling Dervishes ein einzigartiger Bestandteil der türkischen Kultur und ziehen jedes Jahr Tausende von Touristen an. Trotz der Kontroversen und Kritik, die der Sufismus in konventionelleren Strömungen des Islams findet, bleibt er ein wichtiger und einflussreicher Aspekt des kulturellen und religiösen Lebens in der Türkei.

Definition und Erläuterung des Sufismus in der islamischen Kultur der Türkei.

Sufismus, auch bekannt als Tasawwuf, ist eine mystische Unterströmung des Islam. Während die Orthodoxie sich auf Klärung und Ausübung des religiösen Rechts konzentriert, konzentriert sich der Sufismus auf die innere, spirituelle Dimension des Individuums. Sufis suchen nach Wahrheit und Selbstreinigung durch introspektive Wege, einschließlich Gebet, Meditation und physischer Ertüchtigung. Ihre zentrale Theorie ist das Streben nach einer persönlichen Beziehung zu Gott, jenseits der bloßen Befolgung der religiösen Gebote und Vorschriften.

In der Türkei hat der Sufismus eine sehr lange Geschichte und war maßgeblich an der Formung der kulturellen, politischen und sozialen Landschaft des Landes beteiligt. Besonders im Osmanischen Reich nahm der Sufismus eine zentrale Rolle ein und beeinflusste viele Aspekte des täglichen Lebens, von der Politik bis zur Musik, Kunst und Literatur.

Sufi-Orden, bekannt als Tariqah, wurden in der Türkei stark etabliert, wobei der Mevlevi-Orden, gegründet von dem berühmten Sufi Dichter und Philosophen Mevlana Rumi, als einer der bekanntesten und einflussreichsten gilt. Diese Orden bestehen in der Regel aus einer Gemeinschaft von Individuen, die einem spirituellen Führer oder Sheikh folgen und sich in spirituellen Praktiken engagieren, um spirituelles Wachstum und Erwachen zu erreichen.

Es ist wichtig zu betonen, dass der Sufismus in der Türkei nicht monolithic ist, sondern durch eine Vielfalt von Praktiken, Philosophien und Erfahrungen geprägt ist, die stark von der jeweiligen Region, dem kulturellen Kontext und den individuellen Wegen der Suchenden geprägt sind.

Geschichte des Sufismus und seiner Verbreitung in der Türkischen Gesellschaft.

Sufismus und die Whirling Dervishes in der Türkei

Sufismus und die Whirling Dervishes in der Türkei

Die Geschichte des Sufismus in der Türkei lässt sich bis ins 11. Jahrhundert zurückverfolgen, als die Seldschuken, türkische Nomaden aus Zentralasien, Teile Anatoliens und Persiens eroberten. Durch die Verbreitung des Islams unter Seldschuken und späteren Osmanen fand auch der Sufismus Eingang in die türkische Gesellschaft.

In der Frühzeit des Osmanischen Reiches war der Sufismus tief in der Kultur und im Alltagsleben verwurzelt und wurde als essentieller Bestandteil des Islam angesehen. Sufi-Orden, die so genannten Tariqahs, wie z.B. die Mevlevi- oder Bektashi-Orden, florierten und spielten eine wichtige Rolle sowohl im sozialen als auch im spirituellen Leben der Menschen.

Mit der Bildung der türkischen Republik im Jahre 1923 unter Mustafa Kemal Atatürk wurden allerdings radikale Reformen auf den Weg gebracht, die einen streng säkularen Staat propagierten. Blieb der Sufismus bis dato ein integraler Teil der Gesellschaft, so wurde er nun zunehmend verdämmt und verboten, was in der Schließung der meisten Sufi-Orden mündete.

Nichtsdestotrotz hat sich der Sufismus trotz dieser Repressalien in der Türkei erhalten und lebt heute in Form von kulturellen Veranstaltungen wie der Zeremonie der Whirling Dervishes, der Musik und der Dichtkunst fort. Zudem sind in den letzten Jahrzehnten verschiedene Formen des Neo-Sufismus entstanden, die dem traditionellen Sufismus neues Leben eingehaucht haben.

Die Bedeutung der Whirling Dervishes im Sufismus: Ihre täglichen Rituale und spirituellen Praktiken.

Die Whirling Dervishes, auch bekannt als die Mevlevi-Order, sind eine Sufi-Bruderschaft, die von Mevlana Rumi gegründet wurde. Sie sind vor allem für ihre hypnotischen Drehrituale bekannt, die einen integralen Bestandteil ihrer spirituellen Praktiken darstellen. Dieser Tanz, auch als Sema bekannt, ist ein ritueller Akt der Anbetung, der die spirituelle Reise des Individuums durch die Liebe symbolisiert, von der materiellen Welt in die göttliche und schließlich zur Perfektion.

Jedes Element des Sema-Rituals hat eine symbolische Bedeutung. Die schwarze Robe, die die tanzenden Dervishes tragen, symbolisiert das Grab des Ego, während der hohe Hut das Grabstein des Ego darstellt. Die weiße Rock symbolisiert die Reinheit des Ego nach dem Tod. Die Drehbewegung selbst repräsentiert den Glauben, dass der Mensch in der Schöpfung eine Spiegelung des Göttlichen erkennt und sich in jeder Zelle des Körpers um das Herzzentrum dreht.

Die täglichen Rituale und Praktiken der Whirling Dervishes konzentrieren sich auf Meditation, Gesang, Gebet und Lesung der heiligen Schriften, insbesondere der Poesie von Rumi. Sie leben ein Leben der Zurückhaltung und Hingabe, mit dem Ziel, eine engere Verbindung zum Göttlichen herzustellen und ein tieferes Verständnis und Bewusstsein für die Natur der Realität zu erlangen.

Mevlana Rumi: Der bekannte Sufi-Dichter und seine Beiträge zur Entstehung des Whirling Dervishes.

Mevlana Rumi war ein 13. Jahrhundert persischer Poet, islamischer Jurist und Theologe. Sein Gedichtbund „Mathnawi“ ist eines der bekanntesten Werke der persischen Literatur und hat einen starken Einfluss auf die türkische Kultur, insbesondere auf den Sufismus.

Rumi ist bekannt für seine Beiträge zur Philosophie des Sufismus, vor allem für die Entwicklung der Praxis der Whirling Dervishes. Der Gründervater der Mevlevi-Derwisch-Bruderschaft, eine sufi muslimische Bruderschaft die sich nach Rumi benannt hat, ist Rumi’s Sohn Sultan Veled.

Die Whirling Dervishes praktizieren eine Form des physischen Ekstase durch Drehen, bekannt als Sema. Diese Praxis geht auf Rumi zurück, der glaubte, dass Liebe das universelle Zentrum sei und dass durch Tanzen und Drehen im Rhythmus der Musik, man diese Liebe erreichen könnte.

Die Ritualpraxis der Whirling Dervishes ist sowohl eine körperliche als auch spirituelle Reise, die die Verbindung mit dem Göttlichen darstellt und die durch Rumi’s Poesie und Philosophie stark beeinflusst wurde.

Heute ist Rumi nicht nur ein Symbol für den Sufismus in der Türkei, sondern eine Figur, die Werte wie Toleranz, Positivität, und die universelle Liebe vermittelt. Seine Lehren haben die türkische Kultur nachhaltig geprägt und sind immer noch ein zentraler Bestandteil des kulturellen Lebens in der Türkei.

Die symbolische Bedeutung des Tanzes der Whirling Dervishes und seine Verbindung zur Sufi-Philosophie.

Der Tanz der Whirling Dervishes, bekannt als Sema-Ritual, ist mehr als eine formelle Performance. Sie ist eine spirituelle Übung und eine Anbetungsform der Sufis in der islamischen Welt. Der Tanz selbst ist symbolisch und mit tiefgreifenden Konzepten der Sufi-Philosophie verbunden.

In dem Tanz drehen sich die Dervishes unaufhörlich im Kreis, was eine kosmische Bewegung und den unaufhörlichen Fluss des Universums darstellen soll. Ihre Arme sind weit ausgebreitet, während sie sich drehen; die rechte Hand zeigt nach oben, um Gottes Gnade zu empfangen, und die linke Hand zeigt nach unten, um diese Gnade auf die Erde zu übertragen.

Ihre drehenden Bewegungen repräsentieren die spirituelle Reise zu Gott: ein Ausbruch aus dem irdischen Ich, die Reinigung des Geistes und die Erfahrung der direkten Verbindung mit dem Göttlichen. Die Samâ (Audienz) wird in sieben Teile unterteilt wobei jeder einen spezifischen mystischen Sinn hat.

Die Musik, die den Tanz begleitet, ist ebenso wichtig und symbolträchtig. Sie soll die Harmonie in der Welt darstellen und dient als Mittel, um die Tänzer in einen Zustand der spirituellen Ekstase zu versetzen. Es wird geglaubt, dass durch diesen rituellen Tanz die Dervishes in der Lage sind, eine direkte Verbindung zu Gott zu erfahren.

Insgesamt nimmt der Tanz einen zentralen Platz in der Sufi-Praxis und Philosophie ein, und wird bis heute von türkischen Sufis als ein Weg zur spirituellen Vertiefung und zur Verbindung mit dem Göttlichen praktiziert.

Auswirkung von Sufismus und Whirling Dervishes auf die türkische Kultur und den türkischen Tourismus.

Der Sufismus und die Whirling Dervishes haben einen tiefgreifenden Einfluss auf die türkische Kultur und den Tourismus. Als eine mystische Form des Islams legt der Sufismus besonderen Wert auf spirituelle Reinheit und persönliche Verbindung zu Gott. Diese spirituelle Tiefe und Hingabe spiegelt sich in vielen Aspekten der türkischen Kultur wider, sei es in der Musik, Poesie, Literatur oder Kunst.

Die Whirling Dervishes, die ihre Herkunft auf den Sufi-Dichter Mevlana Rumi zurückführen, sind ein besonders eindrucksvolles Beispiel für die Auswirkung des Sufismus auf die türkische Kultur. Ihr hypnotischer Tanz, bekannt als ‚Sema‘, ist ein wichtiges Ritual im Sufismus und eine faszinierende Darstellung von Hingabe und ekstatischer Versenkung. Ihre langen weißen Gewänder und hohen Filzhüte haben zu einem ikonischen Image geführt, das weit über die Grenzen der Türkei hinaus bekannt ist.

Im Hinblick auf den Tourismus sind der Sufismus und die Whirling Dervishes zu wichtigen Anziehungspunkten geworden. Viele Touristen strömen nach Konya, der Heimat von Rumi und den Dervishes, um ihre atemberaubenden Aufführungen zu erleben. Diese zeigen nicht nur den Tanz der Whirling Dervishes, sondern beinhalten oft auch sufische Poesie, Gesang und Musik. Zusätzlich ist die Stadt Rumi’s Mausoleum – ein beliebter Ort für Pilger und eine wichtige Sehenswürdigkeit für Besucher.

Insgesamt tragen der Sufismus und die Whirling Dervishes zur Vielfalt und Tiefe der türkischen Kultur bei und bereichern den Tourismus durch ihre spirituell erfüllenden und kulturell reichen Praktiken.

Kontroversen und Kritik: Auseinandersetzung mit den konventionelleren Strömungen des Islams in der Türkei.

Trotz der tief verwurzelten Präsenz des Sufismus in der türkischen Kultur hat es immer wieder Kontroversen und Kritik gegeben, vor allem aus konventionelleren Strömungen des Islams heraus. Einige strenge sunnitische und schiitische Gelehrte betrachten den Sufismus skeptisch und argumentieren, dass seine Praktiken nicht den orthodoxen islamischen Lehren entsprechen.

Die Whirling Dervishes sind das Hauptziel dieser Kritik, da ihre trancehaften Tänze als un-islamisch angesehen werden könnten. Es wird argumentiert, dass derartige Praktiken im Koran nicht explizit erwähnt sind und daher als unerwünschte Innovation (Bid’ah) konstruiert werden könnten.

In der modernen Türkei ist der Sufismus und die Praxis des Whirling Dervish Tanzes auch auf institutioneller Ebene Kontroversen ausgesetzt. Mit dem Anstieg des politischen Islams im Land haben einige Regierungen versucht, den Sufismus zu unterdrücken oder seine Praktiken zu regulieren, mit der Begründung, dass sie eine Art von unerwünschter Volksreligion darstellen.

Dennoch bleibt der Sufismus, trotz aller Kritik und Kontroversen, ein wesentlicher Teil der türkischen Kultur und Spiritualität. Er ist tief in der Tradition verwurzelt und hat resistive Qualitäten, die sich gegen Versuche der Unterdrückung behaupten können.

Aktuelle Präsenz und Einfluss von Sufismus und Whirling Dervishes in der modernen türkischen Gesellschaft.

Der Sufismus und die Praxis der Whirling Dervishes haben einen anhaltenden und tiefgreifenden Einfluss auf die moderne türkische Gesellschaft. Ungeachtet der religiösen und politischen Veränderungen in der Türkei über das letzte Jahrhundert hinweg, hat der Sufismus seine Stellung in der Gesellschaft beibehalten und bleibt eine Schule des Denkens und der Lebensweise, die von einer bedeutenden Anzahl von Türken befolgt wird.

Die Musik, Poesie und Philosophie des Sufismus bleiben ein wesentlicher Bestandteil des türkischen kulturellen und intellektuellen Lebens. Viele türkische Künstler, Musiker und Schriftsteller ziehen Inspiration aus dieser mystischen Tradition, und Sufi-Feiern werden regelmäßig in Städten im ganzen Land abgehalten, insbesondere in Konya, der Heimat von Mevlana Rumi. Es ist eine Praxis, die türkische Menschen aller Generationen vereint, und eine, die stolz an die nächsten Generationen weitergegeben wird.

Die Whirling Dervishes, bekannt für ihre hypnotischen und spirituell geladenen Tänze, ziehen ebenfalls ein großes Publikum an, sowohl in den lokalen Gemeinschaften als auch unter Besuchern des Landes. Diese Praktiken bieten den Menschen die Möglichkeit, die spirituellen Aspekte des Lebens zu erforschen und gleichzeitig eine der am meisten verehrten Traditionen der türkischen Kultur zu erleben.

Aber es ist nicht nur die Kultur, die vom Einfluss des Sufismus profitiert hat. Auf politischer Ebene hat der Sufismus sich als Ausdrucksform und Identitätsgrundlage für viele Türken behauptet, die einen gemäßigteren und integrativen Ansatz zum Islam suchen. Daher spielt der Sufismus weiterhin eine bedeutende Rolle in der Formung des modernen türkischen sozialen, kulturellen und politischen Lebens.